Vom Wandel durch inneres Gärtnern

Im letzten Sommer bekam ich von Michaela Sch. aus Banzkow eine Kalligraphie geschenkt: Ein grün-weißes Schneeglöckchen vor schwarzem Hintergrund. Darauf in schönster Schrift das Rilke-Zitat: „Mein inneres Gärtnern war herrlich diesen Winter.“

Ich war an jenem Sommertag mit ein paar Leuten in Gärten unterwegs. Es war sehr heiß. Über das Geschenk freute ich mich. Es überraschte mich als Geste einer Frau, die ich gar nicht so gut kenne, von der ich aber weiß, dass sie eher unkonventionell ist. Das Büro der Finanzdienstleisterin kündet von ihrer Kreativität. Selbst Gewerkeltes statt serieller Industrieprodukte füllt ihren Arbeitsraum. Michaela besucht Emaille-, Schmiede- und eben auch Kalligraphie-Kurse. Mit dem Geschenk in der Hand verspürte ich in der sommerlichen Wärme Neugierde: Wie mein inneres Gärtnern im nächsten Winter wohl aussehen wird?

Der Herbst, der dem Sommer folgte, war geprägt durch einen zweiten Lockdown. Der dann folgende Winter legte uns immer noch den Rückzug von Menschen und in unsere kleine Welt auf. Ich folgte der Ansage, ohne Protest, zog mich von Menschen zurück, hielt nur noch zu wenigen Kontakt. Ich las viel, hörte Podcasts, dachte viel nach (nicht nur zu Ostern), malerte mehrere Räume, räumte mein Umfeld auf, gärtnerte draußen, ging ausführlich spazieren und wandern, kehrte zu Handarbeiten zurück, bastelte Weihnachtsgeschenke, entdeckte Yoga und Joggen neu, telefonierte öfter als sonst mit meiner 84jährigen Mutter.

Ich trauerte um eine zerbrochene Freundschaft. Bedauerte den Verlust meines langjährigen Ehrenamtes. Haderte mit dem beruflichen Stillstand, der mir aufgezwungen war. Ich begab mich manchmal in nicht ganz einfache Dispute. Über gesellschaftliche Diskurse, politisches Handeln und globales Geschehen. Manchmal blitzte dabei die Frage auf: Während ich all dies tat und tue, gärtnerte ich da innerlich? Und was kommt wohl dabei raus?

Jetzt ist es Frühling. Die Natur erwacht. Und mit ihr meine Lebensgeister. Ich gehe wieder auf Menschen zu, genieße den Austausch, habe was zu sagen. So konstatiere ich, jetzt wieder im Helleren: Mein inneres Gärtnern war – um mit Rilke zu sprechen – nicht nur herrlich. Es war zuweilen auch heftig und emotional. Mein Ich ist verändert. Und auch die Welt. Doch ich fühle mich gewappnet, fühle mich gestärkt. Für das, was ist. Für das, was kommt.