Vom Zauber kleinster Blüten

Der Mensch neigt ja dazu, vor allem auf das Supergroße, Bombastische emotional zu reagieren. Da nehmen sich die Gärtner in der Regel nicht aus. Wenn also Pflanzen mit besonders großen Blütenständen des Weges kommen, wie z.B. Riesen-Zierlauch, Rambler-Rosen, Bart-Iris, Pfingstrosen, Clematis oder Hortensien, dann liegt Bewunderung in der Luft.

Wahrscheinlich habe ich in meinen Anfangsjahren als Gärtnerin nicht anders reagiert. Inzwischen allerdings beobachte ich an mir, dass mich immer öfter vor allem kleine Blüten entzücken. Weniger ist oft mehr, lernen wir ja gerade sehr intensiv.
Als z.B. im letzten Jahr unter der Kirsche der Knotige Bergwald-Storchschnabel (Geranium nodosum) mit seinen über das ganze Gartenjahr erscheinenden Little-lila-rosa Blüten eine so zauberhafte Symbiose mit einer besonders schönen Waldschmiele (Deschampsia cespitosa ‘Goldschleier’) einging, überzeugte mich die Kombination so, dass ich sie mehrfach zwischen meine großblütigen Schneeballhortensien und Waldgeißbärte einbrachte. Das Beet hat jetzt deutlich an Natürlichkeit gewonnen.

Kleinste Blüten überzeugen mich auch an der Pfefferminzgeranie (Pelargonium tomentosum), deren Blätter silbrig-grün, dicht beharrt und so weich sind, dass die Engländer sie Elfenbettchen nennen. Den Sommer über wächst die Pflanze beeindruckend in die Breite, kann bis zu einem Meter groß werden. Im Gegensatz dazu bildet die Kübelpflanze kleine weiße Blütchen aus, angeordnet wie an einem Propeller und mit zur Mitte rosa-lila geaderten Blättern einem genauso gefärbten Griffel. Einfach zauberhaft!

Ein drittes Beispiel sollen an dieser Stelle die jetzt überall blühenden Holunderbüsche sein. Wir haben vor Jahren einen Schwarzen Holunder (Sambucus nigra ‘Black Beauty’) gepflanzt. Die dunkelbraunrote und leicht glänzende Belaubung wird in diesen Tagen durch Blütendolden ergänzt, die einen starken Zitronenduft verströmen. Den Dolden wird eine rosa Farbe nachgesagt, doch bei näherer Betrachtung entpuppen sich die Blütenschirme als eine Summe kleinster Einzelblüten. Deren Blütenblätter wiederum sind weiß, doch Staubblätter und Fruchtknoten leuchten dem Betrachter in einem kräftigen Rot entgegen. Eine Entdeckung, die nur der macht, der der Pflanze ganz nahekommt.
Was die Gärtnerin konstatieren lässt: Schönheit bemisst sich nicht nach Größe. Auch die kleinste Blüte ist es wert, genau betrachtet zu werden!